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Johann Peter Waxweiler

Revolution in Deutschland 1848/49

Was war bislang in Europa entwicklungsgeschichtlich geschehen? Das Mittelalter mit seiner Jenseitsgerichtetheit (Gotik) machte Platz einer Diesseitsgerichtetheit (Renaissance). Der Lebenszweck war nicht mehr das Glück im Paradies nach dem Leben auf Erden, sondern das Glück war im Leben und hier auf Erden zu finden. Die Orientierung war nun im Hier und Jetzt und nicht mehr im Dort und Dermaleinst.
Die Menschen nahmen das Vorgefundene jetzt nicht mehr nur passiv und als gottgegeben hin; denkbar war nun, daß sie ihren Lebensraum - mindestens theoretisch - ergreifen und selbst gestalten konnten. Ob sie das auch praktisch oder tatsächlich konnten, hing und hängt immer noch unter anderem vom Grad psychischer Handlungsfreiheit ab, die ein Individuum erreicht. Das Neue war also die Idee vom selbstbestimmten Menschen. Diese Idee umfasst durchaus auch verschiedene Ausprägungsgrade der Selbstbestimmtheit. Wichtig ist, daß die Menschen begreifen (individuell und kollektiv), Einfluß auf das eigene Schicksal nehmen zu können. Der Bürger (und eben nicht Gott oder der Adel) war jetzt Subjekt der Geschichte! Für die Bürger des Staates entsprach das dem Eintritt in die Geschichte.
Die Europäer hatten ihre mittelalterliche Angst vor dem Unbekannten verloren in dem sie es wagten, ihrem Wissen, ihren Erfahrungen und der Technik mehr zu vertrauen, als dem ehemals vermittelten Weltbild der Kirche.
Das war in der Tat ein Perspektivenwechsel. Es war ein Epochenwandel von der hierarchisch geordneten Welt des königlichen Gottesgnadentums nebst der dazugehörigen Untertanen, hin zur Selbstbestimmungsmoderne gleichberechtigter Bürger.

Im Deutschen Reich fand diese Neuorientierung zunächst kämpferisch statt. Als Hauptprotagonist erscheint Martin Luther (1483-1546), der 1517 mit der Veröffentlichung seiner 95 Thesen in Wittenberg die politische Auseinandersetzung eröffnete. Das "Fort-von-Rom" Luthers gab es 100 Jahre vorher schon in Form der Gegenpäpste von Avignon, die aber ihren Widerstand gegen die Herrschaft der Päpste in Rom bis 1417 aufgaben. In Deutschland fanden die Auseinandersetzungen ihre massivste Form im 30jährigen Krieg von 1618-1648. Die Selbstzerstörung Deutschlands in diesem Krieg führte zu einem Stillstand der Umsetzung der Neuorientierung.
Daneben ist Luther auch noch zu danken, daß wir heute die deutsche Sprache sprechen und nicht einen lateinischen Dialekt wie es z. B. die Franzosen machen. Französisch ist schlecht gesprochenes Latein.

Auf dem Gebiet des Geistigen nannte man die Neuorientierung die "Zeit der Aufklärung", und es war der Königsberger Philosoph Immanuel Kant (1724-1804), der diese neue Weltsicht am klarsten zum Ausdruck brachte. Er sah den Menschen zutreffenderweise in einer "selbstverschuldeten Unmündigkeit" und ermunterte ihn, den Mut zu haben, sich seines Verstandes zu bedienen (sapere aude!), um dieser Unmündigkeit zu entkommen. Der Gedanke war in der Tat neu und revolutionär, Einfluß auf die eigene Geschichte nehmen zu können! Man mußte nun weder ein "Gotteskind", noch ein "Untertan" eines Adligen sein, sondern konnte jenseits solcher Verhältnisse aus einem eigenen Recht leben.

Ernsthafte Bemühungen um die Ablösung der Adelsherrschaft und der diese ersetzenden Etablierung einer bürgerlichen Staatsordnung gab es auch in Frankreich. Es begann mit der später sogenannten "Französischen Revolution" von 1789. Napoleons Feinde waren denn auch die bisherigen Machthaber: der Adel und der Klerus. Im Hinblick auf eine bürgerliche Ordnung war es aber nur ein kurzer Erfolg. Bald hatte der Adel seine Macht wieder gefestigt. Im Juli 1830 und im Februar 1848 gab es in Paris weitere Umsturzversuche. Schließlich wurde der Palast des französischen Königs gestürmt und dieser erfolgreich verjagt.

Die Revolution von 1848/49 in Deutschland erscheint nun als der Höhepunkt der Wiederaufnahme des unterbrochenen Prozesses der Durchsetzung der Neuorientierung durch ein inzwischen erstarktes Bürgertum. 16 Jahre vorher hatte es dazu ein Vorspiel gegeben. Am 27. Mai 1832 versammelten sich etwa 30000 republikanisch gesinnte Bürger im Hambacher Schloß (bei Neustadt an der Weinstraße, Rheinland-Pfalz). Reden für Deutschlands Einheit und republikanische Verfassung wurden gehalten und Volkssouveränität proklamiert. Zu offener Empörung wagte man aber nicht zu schreiten. Der deutsche Bundestag reagierte mit der völligen Unterdrückung der Presse- und Versammlungsfreiheit; die Leiter wurden verfolgt. Sie flüchteten ins Ausland, einer kam ins Gefängnis.

Die Sache war aber nicht verloren. Das Bürgertum verstand seinen Einfluß zu mehren, ging dabei aber, im Vergleich zu Frankreich, sehr viel anspruchsvoller und differenzierter vor. Die Frankfurter Nationalversammlung hatte 1848 eine Verfassung ausgearbeitet und dem König die deutsche Kaiserkrone angetragen. Eigentlich hätte das eine gute Vorlage für den König sein können. Der aber mochte die Macht nicht mit dem Bürgertum teilen, verkannte die Zeichen der Zeit und die implizite historische Chance eines versöhnlichen Machtwechsels, lehnte ab und verbot einfach die Nationalversammlung. Damit war der geschichtliche Prozeß gestört und vorerst gescheitert. Schließlich gelang erst 1919 die Gründung einer bürgerlichen Republik in Deutschland und damit ein Paradigmenwechsel in den Machtverhältnissen. Die Verfassung war das Symbol der neuen Zeit. Die Verfassung (das geschriebene Wort und Gesetz) war und ist Ausdruck des Machtzuwachses des Geistig-Männlich-Freiheitlichen gegenüber der mutterrechtlich (matriarchal-faschistisch) organisierten bisherigen Situation und repräsentiert diesen wichtigen Entwicklungsschritt.

Zum Hintergrund der Entscheidung des Königs gehört, daß die Könige selbst viele Jahrhunderte lang um die Teilhabe an der Macht bzw. Vorherrschaft gekämpft hatten. Das wollten sie sich jetzt nicht wieder nehmen lassen. Dieser Kampf ist unter der Bezeichnung "Investiturstreit" in der Geschichte bekannt. Es ging um die Antwort auf die Frage: "Wer setzt den Herrscher ein?". Derjenige, der den Herrscher einsetzt, ist der wirklich Mächtige. Der Gottesstaat war der Ausgangspunkt; Gott war der Herrscher über alles. Dagegen kämpfte der Adel für eine Trennung zwischen Gottesherrschaft und weltlicher Herrschaft, wobei die weltliche Herrschaft natürlich von ihnen selbst ausgeübt werden sollte. Diese Trennung war im 19.Jahrhundert schon weitgehend vollzogen und konsolidiert. Just in dieser Zeit meldete nun eine neue Gruppe ihren Anspruch auf Teilhabe an der Macht an: das Bürgertum. Dadurch wurde der Adel an die Position geschoben, die die früher von ihm selbst heiß bekämpfte Kirche innegehabt hatte. Deren weitgehenden weltlichen Machtverlust vor Augen zeigte sich der preußische König gegenüber diesen Ansprüchen sofort feindlich gesonnen.

Nach diesem Verbot und der schroffen Brüskierung der freiheitlich-bürgerlichen Bewegung kam es zu gewaltsamem Widerstand der Bürgerlichen, so z.B. auch in der Eifel.

Im Zusammenhang mit der gescheiterten bürgerlichen Revolution 1848/49 in Deutschland hatte der sogenannte "Prümer Zeughaussturm" in der Eifel für erhebliche Aufregung gesorgt. Einige junge Männer aus Trier, Bitburg und Wittlich hatten am 18. Mai 1849 das Zeughaus in Prüm überfallen und die Herausgabe von Waffen erzwungen. Die "große Revolution des Volkes" scheiterte indes und die "Jungen Demokraten" flohen außer Landes, um einer Bestrafung zu entgehen oder stellten sich den Behörden, wo sie dann zu harten Strafen verurteilt wurden.

J.P. Waxweiler stellt sich

Zu den "Zeughausstürmern" gehörte auch der 28jährige Johann Peter Waxweiler aus Bitburg (1820-1878). Er war ein Mann aus einer angesehenen Familie, sein Vater war Uhrmacher, er selbst hatte 1849 bereits eine eigene kleine Firma als "Blaufärber", war verheiratet mit Maria Sophia Ningler und Vater von vier Kindern: Anna Maria (*1845), Christoph (*1846), Nikolaus (*1847) und Johann Baptist (*1849). Angesichts dieser familiären Verhältnisse stellte er sich nach dem Scheitern der Revolution bereits 1849 den Behörden, so daß er zusammen mit anderen im Januar 1850 in Trier vor Gericht stand. Er wurde zu 6 Jahren Zuchthaus verurteilt.
Die Abwesenheit des Vaters aber brachte die junge Familie bald in große finanzielle Schwierigkeiten. So kam der Sohn Johann Baptist im Juni 1849 zur Welt, als der Vater bereits in Haft war.
Das Protokoll dieses Strafprozesses von 1850 existiert noch und ist in Bibliotheken der Region einsehbar.

Zeughaus in Prüm

(alte Aufnahme; das Zeughaus wurde 1936 abgerissen)

Einer der 22 Genossen war Johann Peter Waxweiler

Das Bild zeigt das Deckblatt des Gerichtsprotokolls.

Seine Frau kämpft beim König um seine Freilassung

In den Akten des Preußischen Staatsarchivs in Berlin findet sich unter dem Datum Dezember 1855 der Vermerk: "Zweimal hat die Waxweilerrin sogar persönlich die Reise nach Berlin angetreten, um von des Königs Majestät Gnade für ihren Gatten zu erflehen, ohne Erfolg". Ob die junge Frau tatsächlich bis zum König vordringen konnte und sich vor ihm auf die Knie warf, kann man aus dieser Bemerkung nicht ersehen. Aus den weiteren Notizen zum Fall "Waxweiler" geht hervor, dass die "verehelichte Waxweilerrin, welche in ihrer Heimat allgemein als eine brave Frau geschildert wird, nach der gefänglichen Einziehung ihres Ehemannes das Geschäft desselben fortführte. Ihre Bemühungen waren indes fruchtlos und sie sah sich endlich mit ihren vier unmündigen Kindern auf die Unterstützungen fremder Wohlthätigkeit angewiesen". Es sei "zu einer gänzlichen Zerrüttung der wirtschaftlichen Verhältnisse" gekommen. Johann Peter Waxweiler kehrte erst nach Verbüßung seiner Zuchthausstrafe im April 1855 nach Hause zurück. Da war sein Geschäft ruiniert und seine Familie hatte Bitburg verlassen und lebte in Gerolstein, vermutlich bei den Eltern seiner Frau.

Der König erläßt Waxweiler eine Geldbuße

Mit der Verbüßung der Haftstrafe aber war es noch nicht zu Ende. Zu den gerichtlich festgesetzten Strafen gehörten auch
"eine Geldstrafe von 60 Thaler, eventuell (ersatzweise) 2 Monate Gefängnis,
der Verlust des Rechts, die National-Kokarde zu tragen,
sowie die solidarische Participierung an einem Dritttheile der Kosten
und die lebenslängliche Stellung unter policeiliche Aufsicht".
Waxweiler konnte die Geldstrafe nicht zahlen. Er wandte sich mit einem Gnadengesuch auf Erlaß der Strafe an den preußischen König. Der Direktor der Trierer Haftanstalt bescheinigte ihm, dass er sich "während der Haft gut betragen" habe. Auch der Bürgermeister stellte ihm ein gutes Zeugnis aus: "Waxweiler hat sich seit seiner Entlassung mustergültig geführt, so dass es ihm gelungen ist, sich die Achtung und das Vertrauen seiner Mitbürger vollständig wieder zu gewinnen". Er selbst erklärte "allerunterthänigst, dass mir mein Vergehen leid ist und ich mich künftighin bei derartigen Vergehen nicht betheiligen werde".
Am 12. Januar 1856 unterzeichnete König Friedrich Wilhelm eigenhändig einen Revers, wonach er dem "Schönfärber Johann Peter Waxweiler aus Bitburg im Regierungsbezirk Trier, jetzt zu Gerolstein, Kreis Daun", die gegen ihn verhängte Geldbuße von 60 Thalern "in Gnaden erlasse".

Der wirtschaftliche Ruin

1849 war Johann Peter Waxweiler in Haft und wartete auf seinen Prozeß. Seine Firma mußte ohne ihn auskommen und lief entsprechend schlecht. Per Zeitungsanzeige im Bitburger Kreis- und Intelligenzblatt versuchte er für seinen Betrieb Werbung zu machen:
"Gewohnet des Sturmes der vielleicht noch Monate über meiner Existenz herstürmet, um mein Dasein zu vernichten, ersuche ich ein richtig denkendes Publikum Bitburgs und seiner Umgegend, meine Frau und Schwager mit demselben Zutrauen zu beehren, womit man mich stets beehrt hat, denn ich bin zu meiner größten Zufriedenheit fest überzeugt, daß sie Ihre Aufträge eben so gut und noch besser ausführen wird, wie ich es stets that.
Meinen Feinden mache ich die Bemerkung, daß sie ihren Haß, den sie gegen mich haben, nicht an meiner Frau und deren Kinder geltend machen.
Es empfiehlt sich mit Gruß, der Verbannte
Waxweiler, Färber"
(Ausgabe vom 9. Oktober 1849).

Der Ruin der Firma ließ sich nicht aufhalten. Dreieinhalb Jahre später wurde das Wohnhaus der Familie versteigert.
"Hausversteigerung in Bitburg
Am Mittwoch den 19. Januar kommenden Jahres (=1853), Nachmittags 2 Uhr, läßt Herr Johann Pint von hier sein zu Bitburg gelegenes Wohnhaus mit Bering, das sogenannte Waxweiler-Haus, begrenzt von Nikolaus Scholer und Wittwe Hall, unter langjährige Zahlungstermine beim Wirthe J.M.Christian dahier versteigern.
Bitburg, den 27. Dezember 1852.
Börsken, Notar".
(Ausgabe vom Freitag, den 21. Januar 1853 des Bitburger Kreis- und Intelligenzblattes).

Die Versteigerung mißlang. Noch zweimal wurde das Haus dann zur Vermietung angeboten.
"Da bei der am verflossenen Mittwoch, den 19. dieses Monats, abgehaltenen Versteigerung des sogenannten Waxweiler-Hauses, dasselbe nicht zugeschlagen worden ist, so steht es nunmehr wieder zur Vermiethung und kann mit Anfang des künftigen Mai bezogen werden. Liebhaber wollen sich an den Eigenthümer wenden".
(Erschienen am 25. Januar 1853 und als Wiederholung am 28. Januar 1853).

Der Freiheitskämpfer

Wie immer, so auch hier, wären die Revolutionäre entweder die neuen Minister der Regierung gewesen oder aber, im Falle des Scheiterns, sie wären umgebracht worden oder hätten fliehen müssen. Gesehen aus heutiger Sicht, waren die Revolutionäre auf der richtigen Seite der Geschichte. Johann Peter Waxweiler hat mit Mitstreitern für die Sache der Demokratie gekämpft und gelitten. Er war einer derjenigen, die die Zeichen der neuen Zeit erkannt und die den Paradigmenwechsel der Macht in Richtung Demokratie in Deutschland mit vorbereitet haben.
Lange Zeit war in meiner Familie nur von einem "Freiheitskämpfer" aus der Familie die Rede gewesen, ohne aber Näheres zu wissen. Erst Anfang des Jahres 2004 war es mir möglich, ihn in der Familiendatenbank zu identifizieren.

Hans Waxweiler erinnert sich

Mein Cousin Hans Waxweiler (Prüm) hatte mir vor Jahren schon von einem Freiheitskämpfer Waxweiler berichtet. Auch mein Vater Nikolaus Waxweiler (1902-1977) wußte davon. Am Abend des 8. November 2005 rief ich Hans in Prüm an und fragte nach seinem Wissen dazu. Er wußte von einem Freiheitskämpfer Johann Baptist Waxweiler aus Bombogen bei Wittlich. Auf meinen Einwand, der Name sei Johann Peter Waxweiler, meinte er, das könne zwar sein, er erinnere aber einen Johann Baptist aus Bombogen.
1933 oder 1934 sei am Ortsausgang von Prüm Richtung Niederprüm auf der linken Seite der Straße, noch vor dem Friedhof, ein etwa 2 Meter hoher Gedenkstein aus Naturstein mit einer daran befestigten Namensplatte zu Ehren der Kämpfer des Prümer Zeughaussturms errichtet worden. Er selbst sei bei der Einweihungsfeier als Hitlerjunge dabei gewesen. Die Hitlerjungen sangen die Deutschlandhymne und der NSDAP-Kreisleiter Dr. Walter Müller, im bürgerlichen Beruf ein Zahnarzt, hielt eine patriotische Rede (NSDAP = Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter Partei, die Partei Adolf Hitlers).
Auf der Tafel waren etwa 10 - 12 Namen mit dem jeweiligen Strafmaß vermerkt. Der Waxweiler habe in der 7. oder 8. Zeile gestanden. Der Anführer sei ein Schily gewesen, ein Verwandter des aktuellen Bundesinnenministers.
Die Tafel ist nach dem Krieg verschwunden. Der Stein steht aber heute noch an derselben Stelle.

Quellen